Ein Produkt auf den Markt bringen - wie geht das?

Du möchtest ein Produkt auf den Markt bringen, weisst jedoch nicht wie das funktioniert?

Chantal Lutz und Oliver Strässler beantworten Dir einige Deiner Fragen in ihrem neuen Blogbeitrag.

Einführung

Wolltest Du schon mal Dein eigenes Produkt auf den Markt bringen? Vielleicht hast Du ein neuartiges Kinderspielzeug kreiert, ein Portemonnaie aus recyceltem PET designt oder an einem umweltfreundlichen Pestizid geforscht?

Wer sein Produkt in der Schweiz auf den Markt bringen will, hat die einschlägigen nationalen Bestimmungen zu beachten. Soll das Produkt ebenfalls im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vertrieben werden, so müssen auch die europäischen Produkterichtlinien beachtet werden. Dieser Beitrag soll Dir eine Übersicht über das Produkterecht geben und Dir als grobe Anleitung dienen.

Ein Produkt auf den Markt bringen - wie geht das?
Was hat französischer Likör mit Deinem Vorhaben zu tun?

Wir werfen einen Blick in die Geschichte des Produkterechts: Alles begann mit Johannisbeer-Likör resp. dem französischen «Cassis-de-Dijon». Der Europäische Gerichtshof musste sich am 20. Februar 1979 mit der Frage auseinandersetzen, ob eine deutsche Handelsgruppe französischen Johannisbeer-Likör nach Deutschland importieren darf. Der Likör hatte nämlich einen zu tiefen Alkoholgehalt und entsprach damit nicht den deutschen Vorgaben.

Der Europäische Gerichtshof sprach sich in der Folge für die Handelsfreiheit im damaligen EWG aus mit dem Argument, dass die deutsche Regelung keine Schutzfunktion ausübe. Ein Produkt darf nämlich nur dann nicht in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden, wenn es gegen zwingende Erfordernisse verstösst. Beispiele dafür sind die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit, der Verbraucherschutz oder steuerliche Kontrollen.

Von diesem Zeitpunkt an durften die meisten Produkte, die in einem Mitgliedstaat der damaligen EWG in Verkehr gebracht wurden, ebenfalls in jedem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden.

Da die Schweiz nicht Teil des EWR ist, wurde dieses Prinzip in den Bilateralen I zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft festgehalten. Autonom übernommen wurde das Cassis-de-Dijon-Prinzip im Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse («THG»). Somit können, sofern keine öffentlichen Interessen dagegensprechen, Produkte, die in der Schweiz rechtmässig in Verkehr gebracht wurden, auch im EWR vermarktet werden und vice-versa.

Aufgrund des Inländer-Diskriminierungsverbots dürfen Schweizer ein Produkt in der Schweiz auf den Markt bringen, auch wenn es ausschliesslich europäischen Normen entspricht. Das bedeutet, dass es ausreicht, wenn Du Dein Produkt entweder nach den EU-Richtlinien oder den schweizerischen Vorgaben prüfst. Willst Du Dein Produkt im EU Raum vermarkten, macht es Sinn, dieses von Beginn weg nach den EU-Richtlinien auszugestalten.

Was musst Du nun also konkret unternehmen?

Willst Du ein Produkt auf den Markt bringen, musst Du folgende Fragen beantworten:

  1. Bin ich Hersteller/-in eines Produkts?

  2. Fällt mein Produkt in eine spezielle PRODUKTGRUPPE (z.B. Medizinalprodukt, Kinderspielzeug, Elektronik)?

  3. Welches sind die einschlägigen PRODUKTERICHTLINIEN?

  4. Welche HARMONISIERUNGSNORMEN sind anwendbar?

  5. Welche speziellen Voraussetzungen ergeben sich aus den einschlägigen Produkterichtlinien und Harmonisierungsnormen?

  6. Ist eine Konformitätserklärung oder sogar eine Konformitätsbewertung durch eine Prüfstelle vorausgesetzt?

  7. Gibt es weitere Voraussetzungen, wie z.B. das Erstellen einer technischen Dokumentation?

  8. Muss ein CE- oder ein anderes Kennzeichen angebracht werden?

Hersteller eruieren

Als Hersteller im Sinne des Bundesgesetzes über die Produktsicherheit gilt jene Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ein Erkennungszeichen wie z.B. ihren Namen auf dem Produkt anbringt. Hat der Hersteller seinen Sitz nicht in der Schweiz resp. im EWR, so gilt dessen Vertreterin als Hersteller.

Wer ein bestehendes Produkt wiederaufbereitet oder sonst auf eine Art behandelt, dass die Sicherheitseigenschaft beeinflusst wird, gilt ebenfalls als Hersteller.

Einschlägige Richtlinien ausfindig machen und Harmonisierungsnormen prüfen

Zuerst musst Du herausfinden, unter welche Richtlinie oder Verordnung Dein Produkt fällt. Für ein Kinderspielzeug ist dies bspw. die schweizerische SPIELZEUGVERORDNUNG resp. die europäische RICHTLINIE 2009/48/EG. Die Sicherheitsbestimmungen in diesen Richtlinien oder Verordnungen sind grundsätzlich abstrakt gefasst. So heisst es z.B. in der Verordnung (EU) 2016/425, dass persönliche Schutzausrüstungen «angemessenen Schutz vor den Risiken bieten [müssen], für die sie bestimmt sind». Was dies für ein konkretes Produkt, wie z.B. eine Sonnenbrille bedeutet, ist daraus aber nur schwer abzuleiten.

Aus diesem Grund gibt es sog. Harmonisierungsnormen. Diese Normen sind nicht verbindlich. Werden die Normen jedoch eingehalten, so wird die Konformität des betreffenden Produkts vermutet.

Konformitätserklärung erstellen

Wird ein Produkt auf den Markt gebracht, muss dieses sicher sein. Garantiert wird diese Sicherheit durch die Einhaltung der Produktsicherheitsvorschriften. Mit der sog. «Konformitätserklärung» bestätigst Du, dass:

  • die Produkteigenschaften wie z.B. Leistungsfähigkeit, Beschriftung, Verpackung und Herstellung etc. den einschlägigen Normen entspricht; und

  • das Produkt – sofern nötig – geprüft und zugelassen wurde.

Die Konformitätserklärung ist ein Dokument, mit dem Du Dein Produkt beschreibst und angibst, mit welchen Normen das Produkt konform ist. Es gibt dazu bspw. EINE VORLAGE der Europäischen Kommission.

Die Konformitätserklärung ist nur dann erforderlich, wenn der Nachweis der Konformität in einer Produkterichtlinie oder einer Verordnung vorgeschrieben ist. Wenn eine Konformitätserklärung erforderlich ist, bestehen zwei Möglichkeiten:

  1. Die Konformitätsbewertung kannst Du als Hersteller/-in selbst durchführen und mittels Konformitätserklärung bestätigen. In diesem Fall nimmst Du die Produkteprüfung selbst vor; oder

  2. Für gewisse komplexe, risikobehaftete oder neuartige Produkte bzw. Produkteeigenschaften können die gesetzlichen Vorschriften eine Bewertung durch unabhängige Prüfstellen verlangen. Ein Beispiel dafür ist die sog. «Baumusterprüfung». Die Konformität wird in diesem Fall durch eine sog. Konformitätsbewertung bestätigt. Dies erfolgt in der Regel durch eine akkreditierte Prüf- bzw. Konformitätsbewertungsstelle. Eine Datenbank mit den schweizerischen Konformitätsbewertungsstellen findet Du HIER.

Unabhängig von dem Produktesektor müssen allgemeine Gesetze, wie z.B. das Bundesgesetz über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen, berücksichtigt werden. Demnach dürfen z.B. Plastikfiguren keine gefährlichen chemischen Substanzen beinhalten.

CE- und Schweizerische Kennzeichen anbringen

Die CE-Kennzeichnung ist im EWR die Bestätigung, dass das Produkt mit den einschlägigen Vorschriften konform ist. In der Schweiz gelten andere Kennzeichen. Auf einem Produkt sind die Konformitätskennzeichen anzubringen, die im Gebiet, in welchem es veräussert wird, vorgeschrieben werden. Somit muss ein Schweizer Produkt, das im EWR vertrieben wird, gegebenenfalls mit einer CE-Nummer ausgestattet sein.

Ein CE-Zeichen ist nicht per se notwendig. Es muss nur angebracht werden, wenn die einschlägigen Sicherheitsbestimmungen die Anbringung voraussetzen. Ist die Anbringung hingegen nicht vorgeschrieben, darf das Produkt kein CE-Kennzeichen tragen.

Aktuelle Entwicklungen

Die Vorschriften über die Produktsicherheit garantieren, dass die in Verkehr gebrachten Produkte sicher sind. Insbesondere hat sich ein Bedürfnis für mehr Sicherheit von Systemen, die auf Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) basieren, entwickelt. In der EU soll diesem Bedürfnis mit einer neuen KI-Verordnung Rechnung getragen werden. Entsprechend hatte die Europäischen Kommission im April 2021 einen Entwurf der Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für KI vorgelegt. Der Entwurf befindet sich derzeit in Beratung im Europäischen Parlament.

Der Entwurf der Verordnung unterscheidet zwischen vier Risikokategorien, wobei die KI-Systeme, die in die höchste Kategorie «unannehmbares Risiko» fallen, verboten sind. Dies umfasst z.B. Systeme, mit welchen soziales Verhalten durch Behörden bewertet wird (sog. Social Scoring). Fällt das KI-System in die zweithöchste Risikokategorie, ist eine Konformitätsbewertung durch eine zertifizierte Bewertungsstelle erforderlich. Betroffen sind solche Systeme, die sich nachteilig auf die Sicherheit der Menschen oder ihre Grundrechte auswirken können. Durch die Konformitätsbewertung werden verschiedene Voraussetzung sichergestellt, wie insbesondere eine ausreichende Qualität der Datensätze, Robustheit, Genauigkeit, Cybersicherheit, Transparenz, Bereitstellung von Informationen sowie eine menschliche Aufsicht über das KI-System.

Die neue Verordnung wird nicht nur für KI-Systeme gelten, die in der EU in Verkehr gebracht werden. Ausländische Akteure sind ebenfalls erfasst, sofern Menschen in der EU von der Verwendung des KI-Systems betroffen sind.

Fazit

Das Inverkehrbringen eines Produktes kann einige Tücken mit sich bringen. Vereinfacht wird das Prozedere dadurch, dass die einst unterschiedlichen Voraussetzungen der verschiedenen Staaten im EWR und der Schweiz harmonisiert wurden. Was in einem Staat in Verkehr gebracht werden darf, kann grundsätzlich auch in jedem anderen EWR-Staat vermarktet werden.

Nun möchtest Du Dein Produkt sicherlich auch gegen Produktepiraterie und Warenfälschung schützen. Wie Du eine weltweite Schutzstrategie für Deine Produkte aufgleist, erklären Dir Christian und Mauro in ihrem Blog: WIE SCHÜTZE ICH MEINE IMMATERIALGÜTERRECHTE WELTWEIT?

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