Rechtsstreitigkeiten in der IT: Tipps für Unternehmen zur Risikominimierung
IT-Urheberrecht und die Herausforderungen der Beweislast
Ein IT-Dienstleister entwickelte für ein Leasingunternehmen eine massgeschneiderte Softwarelösung. Der Dienstleister war überzeugt, dass seine Programmierarbeit urheberrechtlich geschützt sei, doch recht schnell sah er sich mit einem aus seiner Sicht unerlaubten Weiterverkauf der Software konfrontiert. Er entschied sich, rechtlich dagegen vorzugehen. Im Verfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht am 23. Juli 2020 (5 U 18/14) musste der Dienstleister feststellen, dass die Beweislast für die Miturheberschaft an der Software eine hohe Hürde darstellte. Das Gericht entschied gegen ihn, da er nicht nachweisen konnte, dass seine Programmierarbeit ein eigenständiges, kreatives Werk darstellt. Insbesondere fehlten juristisch belastbare Vereinbarungen, die vor Projektbeginn hätten getroffen werden müssen, sowie eine klare Dokumentation darüber, wer welchen Beitrag zum Softwaredesign geleistet hatte. Ohne diese Nachweise blieb der Schutz der Software unsicher.
Das Gericht betonte, dass bei gemeinsamen Softwareprojekten vorab juristisch belastbare Vereinbarungen getroffen werden müssen. Die Hürden bei der Durchsetzung von Ansprüchen vor Gericht sind meist so hoch, dass ohne klare Regelungen und genaue Dokumentation von individuellen Beiträgen ein erfolgreicher Prozess nahezu unmöglich ist. Konkret ging es darum, dass das Softwareunternehmen nachweisen musste, welche Personen an welchen Teilen des Softwaredesigns und der Software gearbeitet hatten. Da dieser Nachweis nicht erbracht werden konnte, scheiterte das Unternehmen mit seinen Ansprüchen. Der Fall verdeutlicht, dass in gemeinsamen Projekten klare Absprachen und eine präzise Dokumentation der jeweiligen Beiträge unerlässlich sind, um spätere Ansprüche durchsetzen zu können.
Welche Aufklärungspflichten haben Softwareanbieter im Verkaufsprozess?
Ein weiteres Beispiel liefert das Oberlandesgericht München (20 U 3226/22 e) aus dem Jahr 2022, das verdeutlicht, welche Anforderungen beim Vertrieb von Softwareprodukten gestellt werden. Ein IT-Unternehmen klagte auf Zahlung ausstehender Lizenzgebühren für die Überlassung einer SaaS-Lösung sowie für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Installation von Clientsoftware.
Der Kunde des IT-Unternehmens stellte nach Überlassung der Software fest, dass diese seine Anforderungen nicht erfüllt und verweigerte die Zahlung. Die Entscheidung des Gerichts fiel gegen das IT-Unternehmen aus, da für das IT-Unternehmen bereits vor Verkauf erkennbar war, dass die dokumentierten Anforderungen des Kunden mit der verkauften Standardsoftware nicht vernünftig erfüllt werden konnten. Auch die Installationskosten und der damit verbundene Aufwand wurden vom Gericht als Teil eines einheitlichen Vertrags betrachtet.
Diese Entscheidung zeigt, dass IT-Unternehmen nicht ohne weitere Produkte anbieten und die vom Kunden angegebenen Anforderungen ignorieren können, wenn die Software langfristig vermietet wird. Eine sorgfältige Bedarfsanalyse und genaue Dokumentation der Kundenanforderungen sind unerlässlich, um derartige Streitigkeiten zu vermeiden. Auch wenn es nahe liegt, dem Kunden die Verantwortung dafür zu geben, vorab zu prüfen ob mit der Software der verfolgte Zweck erreicht werden kann, zeigt unsere Erfahrung, dass Auftraggeber diese und ähnliche Entscheidungen in Verhandlungen immer wieder zitieren, wenn Sie mit entsprechender Software unzufrieden sind.
IBM und die Genfer Kantonalbank: Streit um IT-Verträge und Millionenentschädigung
Ein drittes Beispiel führt zu einem der grössten Konflikte im IT-Recht in der Schweiz. 2006 übernahm IBM Schweiz ein Unternehmen, an welches die Genfer Kantonalbank verschiedene IT-Dienstleistungen outgesourct hatte. Die Verträge waren allerdings unklar formuliert, was zu erheblichen Konflikten über Leistung und Entgelt führte. IBM kündigte die Verträge mit sofortiger Wirkung und verlangte hohe Beträge für die Weiterführung der Dienste. Die Bank wusste, dass sie ohne die IT-Dienste von IBM nicht operieren konnte und zahlte die hohen Beträge. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit, der erst Ende 2022 beigelegt wurde. Im Juni 2021 verurteilte das erstinstanzliche Genfer Zivilgericht IBM zu einer Schadenersatzzahlung von 46,8 Millionen Franken an die Genfer Kantonalbank, da die Bank "in grosser Gefahr" gewesen wäre, wenn sie den finanziellen Forderungen von IBM nicht nachgekommen wäre. IBM ging gegen das Urteil vor. Jedoch ohne Erfolg. Das Genfer Kantonsgericht stützte im Oktober 2022 den Entscheid der Vorinstanz in den wesentlichen Punkten. Schliesslich einigten sich die Parteien auf einen aussergerichtlichen Vergleich, der IBM zwischen 30 und 40 Millionen Franken kostete. Dieser Fall verdeutlicht eindrucksvoll, wie stark die Abhängigkeit von Software heute ist – und wie wichtig eine klare Vertragsgestaltung und gute Kommunikation zwischen allen Parteien sind.
Prävention und Verhandlung sind entscheidend
Die Lehren aus diesen Fällen sind eindeutig: Zum einen ist es entscheidend, eine sorgfältige Dokumentation und Absicherung zu haben, sei es durch eine klare Lizenzgestaltung, die exakte Bedarfsanalyse von Kundenanforderungen oder die eindeutige Regelung von Vertragsbeziehungen. Zum anderen lohnt es sich, in schwierigen Situationen auf eine aussergerichtliche Lösung hinzuarbeiten. Rechtsstreitigkeiten im IT-Bereich sind oft teuer, langwierig und komplex – es lohnt sich, sie zu vermeiden, wo immer es möglich ist. Unsere Erfahrung in der Betreuung derartiger Prozesse zeigt, dass eine frühzeitige Verhandlung und klare Kommunikation entscheidend sind, um Konflikte zu vermeiden oder effizient zu lösen. Sollte es dennoch zu einem Konflikt kommen, ist es auch bei fortgeschrittenen Streitigkeiten möglich, pragmatische und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu finden, um die eigenen Interessen bestmöglich zu wahren.