Digitale Geschäfts- und Revisionsberichte? Kampf gegen die letzte Papierbastion!
Warum gibt es die Auffassung, dass bei Geschäfts- und Revisionsberichten die Papierpflicht bestehe?
Das Problem liegt in der Formulierung des Gesetzes.
Folgendes ist gemeinhin bekannt: Alle wichtigen Dokumente des Unternehmens müssen mindestens zehn* Geschäftsjahre lang aufbewahrt werden. Dies umfasst insbesondere alle (Buchungs-)Belege, Geschäftsbücher und Revisions- sowie Geschäftsberichte.
Die zehnjährige Aufbewahrungspflicht im Buchführungs- und Rechnungslegungsrecht ist in Art. 985f OR festgehalten. Gemäss dem Gesetzeswortlaut gibt es zwei Archivkategorien:
Kategorie: Geschäftsbericht und Revisionsbericht
-> Müssen nach dem Gesetz «schriftlich und unterzeichnet» aufbewahrt werden.
Kategorie: Geschäftsbücher und Buchungsbelege
-> Dürfen nach dem Gesetz «auf Papier, elektronisch oder in vergleichbarer Weise» aufbewahrt werden.
Aufgrund des Gesetzeswortlauts liegt der Schluss nahe, dass eine elektronische Archivierung für die 1. Kategorie (Geschäftsbericht und Revisionsbericht) versperrt sei. Die elektronische Aufbewahrung wird für Dokumente der 2. Kategorie – im Gegensatz zur 1. Kategorie – ja explizit nebst der Papierform genannt.
Dieser Rückschluss ist allerdings falsch!
* HINWEIS: Als Konsequenz der steuerrechtlichen Verjährungsfristen müssen die für die Steuerpflicht der direkten Bundessteuer wesentlichen Unterlagen für 15 Jahre, die für Art. 70 Abs. 3 des Mehrwertsteuergesetzes relevanten Geschäftsunterlagen [Einlageentsteuerung & Eigenverbrauch von unbeweglichen Gegenständen] sogar für 20 Jahre aufbewahrt werden.
Wie argumentieren die Befürworter der Papierpflicht?
Die Auffassung, Geschäftsberichte und Revisionsberichte könnten einzig in Papierform mit handschriftlicher Unterschrift aufbewahrt und archiviert werden, vertritt eine erstaunliche Zahl wissenschaftlicher Kommentierungen des Obligationenrechts.
Die Autorinnen und Autoren stützen sich in der Regel auf die Botschaft des Bundesrates zum neuen Rechnungslegungsrecht: Der Bundesrat erläuterte damals, dass von den Geschäfts- und Revisionsberichten zwingend und ausschliesslich die originalen Dokumente archiviert werden müssen.
Der Trugschluss, Originale könnten einzig auf Papier mit handschriftlicher Unterschrift erstellt werden, beruht aber auf einem längst überholten Dogma.
Digitale Originale?
Im Grundsatz stimmt es zwar, dass rechtsverbindliche Unterschriften in den meisten Fällen eigenhändig geschrieben werden. Mit anderen Worten: Auch heute werden Originale in der Regel mittels Schreibzeug auf Papier erstellt.
ABER: Die eigenhändige Unterschrift ist seit längerem der sogenannten qualifizierten elektronischen Signatur mit Zeitstempel gleichgestellt (Art. 14 Abs. 2bis OR).
Die Zertifizierung der qualifizierten elektronischen Signatur ist in einem eigenen Gesetz (sowie entsprechender Verordnung) geregelt: Im Bundesgesetz vom 16. März 2016 über die elektronische Signatur, ZertES.
Die aktuellste Fassung des ZertES ist – wie könnte es anderes sein – digital signiert. Eine solche digitale Signatur sieht in etwa wie folgt aus:
Dabei verbirgt sich das, was die Signatur rechtsverbindlich macht und nicht etwa im Abbild der Signatur (Abbildung rechts). Vielmehr sind die überprüfbaren Daten die sich hinter dem Signaturstempel befinden ausschlaggebend (Abbildung links). Die Unveränderbarkeit von Zeitstempel, Ortsangabe und die Überprüfbarkeit der Zertifikatsvalidität (bspw. mittels des VALIDATORS DER SCHWEIZERISCHEN BUNDESKANZLEI) sind Voraussetzung dafür, dass die qualifizierte elektronische Signatur Rechtsverbindlichkeit entfalten kann.
In der Konsequenz heisst dies: Jedes PDF, welches mit der qualifizierten elektronischen Signatur des Unterzeichnenden versehen wird, kommt einem handschriftlich auf Papier unterzeichneten Dokument gleich.
Das gilt auch für die Geschäfts- und Revisionsberichte Deines Unternehmens!
Was ist keine qualifizierte elektronische Signatur?
Nicht mit einer qualifizierten elektronischen Unterschrift zu verwechseln ist, wenn Du ein handschriftlich unterzeichnetes Papierdokument einscannst und dann digital archivierst. Es handelt sich dabei nur um das Abbild der rechtsgültigen Unterschrift.
Es ist sehr einfach, ein Abbild der Unterschrift mit einem Tool nachträglich einzufügen. Aus diesem Grund kommt einer solchen «Unterschrift» nicht die gleiche Rechtswirkung wie einer Originalsignatur (physisch oder elektronisch) zu.
Umgekehrt kannst Du aber auch nicht die mit qualifizierter elektronischer Signatur versehene Dokumente ausdrucken und danach physisch (bspw. in einem Ordner) aufbewahren. Der ausgedruckte elektronische Signaturstempel kann nämlich nicht mehr auf ihre Gültigkeit kontrolliert werden.
Zusammengefasst gilt der folgende Leitsatz: Konsequent für zehn Jahre entweder digital oder physisch archivieren! Eine Zwischenlösung ist weder praktikabel noch rechtlich verbindlich.
DIGITALER GESCHÄFTSBERICHT: WIE ERHALTE ICH FÜR DIE VERWALTUNGSRATSMITGLIEDER MEINES UNTERNEHMENS DIE ELEKRONISCHE SIGNATUR?
Die Erstellung des Geschäftsberichtes ist eine unübertragbare Aufgabe des Verwaltungsrates. Für diejenigen die den digitalen Geschäftsbericht unterzeichnen, müssen damit im Vorfeld elektronische Signaturen beantragt werden.
Herausgegeben werden die qualifizierten elektronischen Signaturen von AKKREDITIERTEN ANBIETERN des Bundesamts für Kommunikation (BAKOM). Zurzeit sind vier Anbieter akkreditiert:
Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT)
Nebst dem BIT, welches die Zertifikate nur für die elektronischen Signaturen der Angestellten der (Bundes-)Verwaltung herausgibt, kann bei den obgenannten Anbietern mit relativ kleinem Aufwand eine digitale Signatur bestellt werden.
DIGITALE REVISIONSBERICHTE: HAT MEINE REVISIONSTELLE DIE ELEKTRONISCHE SIGNATUR?
Hat Dein Unternehmen mehr als zehn Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt, kann nicht auf die eingeschränkte Revision verzichtet werden (Art. 727a Abs. 2 OR).
In den Fällen der eingeschränkten (bzw. der ordentlichen) Revision muss die Revisionsstelle Deines Unternehmens über die qualifizierte elektronische Signatur verfügen, damit Du die Revisionsberichte elektronisch archivieren kannst.
Fast alle grösseren Revisionsstellen bieten die Revisionsberichte mittlerweile in elektronischer signierter Form an. Aber auch Revisionsexpertinnen und Revisionsexperten in kleineren Treuhandbüros sind auf den Zug der digitalen Revisionsberichte aufgesprungen.
Frage am besten noch heute Deine Revisionsstelle, ob sie die Revisionsberichte in der qualifizierten elektronischen signierten Form anbietet. Bis zu der ordentlichen General-, Gesellschafter- und Genossenschaftsversammlung bleibt (in den meisten Fällen) noch genügend Zeit; allenfalls kann Deine Revisionsexpertin / Dein Revisionsexperte die elektronische Signatur für den kommenden Revisionsbericht beantragen.
FAZIT
Zusammengefasst handelt es sich bei den Geschäfts- oder Revisionsberichten dann um digitale Originale, wenn der Verwaltungsrat den Geschäftsbericht bzw. die Revisionsstelle den Revisionsbericht mit qualifizierter elektronischer Signatur versieht.
In dieser Form signierte PDFs genügen entgegen dem weitverbreiteten Irrglauben den gesetzlichen Vorgaben nach Art. 985f OR.
So wird die Papierform und der entsprechende Archivordner obsolet.
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