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William Blatter
MLaw, Rechtsanwalt, Associate
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Benjamin Domenig
M.A. HSG in Law and Economics, Rechtsanwalt, Managing Partner
Die vertrauensärztliche Untersuchung
Praxisfall
Du hast Deinem Mitarbeiter per 31. Januar 2023 das Arbeitsverhältnis auf den 31. März 2023 gekündigt. Der Mitarbeiter überreicht Dir am 6. Februar 2023 ein Arztzeugnis, welches eine Arbeitsunfähigkeit von zwei Wochen attestiert. Das hat zur Konsequenz, dass Dein Mitarbeiter nicht mehr arbeiten muss. Zudem wird die Kündigungsfrist verlängert. Du bist aber zur Bezahlung des Lohns verpflichtet. Du bezweifelst die Arbeitsunfähigkeit.
Nun ist schnelles Handeln gefragt!
Vorgehen
Dieser Entscheidungsbaum veranschaulicht Dir Dein Vorgehen:
1. Vertrauensärzte auswählen
Als Arbeitgeberin musst Du zwei Vertrauensärzte auswählen, welche die Untersuchung vornehmen sollen. Jeder Arzt kann als Vertrauensarzt tätig werden. Es ist keine Zusatzausbildung oder eine spezielle Zulassung notwendig. Du kannst also beispielsweise auch Deinen eigenen Hausarzt fragen, ob er als Vertrauensarzt für Deine Firma tätig sein könne. Bei der Auswahl der Vertrauensärzte musst Du folgende Punkte beachten:
Es ist eine Vertrauensärztin und ein Vertrauensarzt zu definieren;
Der Weg von der Wohnung des Mitarbeiters zur Ärztin/zum Arzt sollte maximal 30 Minuten betragen.
2. Vertrauensarzt anfragen
Du hast zwei passende Vertrauensärzte ausgewählt. Nun musst Du sicherzustellen, dass die beiden Vertrauensärzte in den nächsten Tagen ausreichend Kapazität für neue Termine haben. Das kannst Du ganz informell mit einem Telefonat an die entsprechenden Arztpraxen sicherstellen.
3. Untersuchung anordnen
Wenn Du zwei Vertrauensärzte ausgewählt hast, musst Du den Mitarbeiter sofort auffordern, sich einer Untersuchung bei einem der beiden Vertrauensärzten zu unterziehen. Diese Aufforderung muss am gleichen Tag erfolgen, an welchem Dir Dein Mitarbeiter seine Arbeitsunfähigkeit gemeldet hat. Je schneller desto besser! Die Aufforderung ist per A-Post Plus an die Wohnadresse und vorab per E-Mail an die private Mailadresse des Mitarbeiters zuzustellen.
Die Aufforderung muss folgende Punkte enthalten:
Kontaktdaten der ausgewählten Vertrauensärzte;
Frist von 1-2 Tagen seit Zustellung, innert welcher der Mitarbeiter bei einem der Vertrauensärzte einen Termin vereinbaren muss;
First von 2-3 Tagen seit Zustellung, innert welcher sich der Mitarbeiter der Untersuchung unterziehen muss;
Hinweis, dass angenommen wird, der Mitarbeiter sei arbeitsfähig, wenn er der Untersuchung nicht oder nicht fristgerecht nachkommt;
Hinweis, dass die Kosten der Untersuchung von Dir als Arbeitgeberin getragen werden.
Eine kostenlose Vorlage zur Anordnung der vertrauensärztlichen Untersuchung findest Du unter diesem Link!
4. Vertrauensarzt kontaktieren
Nachdem die Untersuchung stattgefunden hat, solltest Du den untersuchenden Vertrauensarzt umgehend telefonisch kontaktieren und ihm folgende Fragen stellen:
Entspricht das ursprüngliche Arztzeugnis bzw. die Arbeitsunfähigkeit der Wahrheit?
Ist der Mitarbeiter arbeitsunfähig und falls ja, in welchem Umfang und wie lange?
Was sind die Gründe der Arbeitsunfähigkeit (Krankheit, Unfall, Schwangerschaft)?
Handelt es sich um eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit?
Nach dem Telefonat ist der Vertrauensarzt aufzufordern, Dir seine Aussagen ebenfalls schriftlich zukommen zu lassen. Natürlich darf Dir der Vertrauensarzt keine zu spezifischen Angaben machen, denn er untersteht dem Arztgeheimnis. Das ist aber nicht schlimm.
5. Sanktionen treffen
Der Mitarbeiter kommt der Untersuchung nicht innert Frist nach oder Du gelangst aufgrund der vertrauensärztlichen Untersuchung zum Schluss, dass keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Jetzt musst Du den Mitarbeiter schriftlich per A‑Post Plus und vorab per E-Mail umgehend zur Arbeitsleistung auffordern.
Kommt der Mitarbeiter seiner Arbeitsleistung weiterhin nicht nach, kannst Du gegenüber dem Mitarbeiter die Lohnzahlungen einstellen. Wenn der Mitarbeiter seine Lohnforderungen durchsetzen will, ist er auf den Prozessweg zu verweisen.
Gerne beraten wird Dich bei der Anordnung einer vertrauensärztlichen Untersuchung oder zu weiteren Fragen des Arbeitsrechts.
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