Baumängelsanierung: Vorsicht bei Privatgutachten!
Was bringt ein Privatgutachten vor Gericht?
Ein Privatgutachten ist ein Gutachten, das im selbstständigen Auftrag einer Partei angefertigt wurde. Die Gegenpartei kann sich üblicherweise nicht dazu äussern, ob dieses Gutachten angefertigt werden soll, wer als Experte eingesetzt wird und mit welchen Fragen sich der Experte auseinandersetzen soll. Die Partei, die den Gutachter beauftragt, hat daher nicht selten einen gewissen Einfluss auf das Ergebnis des Gutachtens. Aus diesem Grund werden Privatgutachten vor Gericht nicht als Beweismittel anerkannt. Es handelt sich um sog. Parteibehauptungen.
Vor Gericht kann eine Tatsache zunächst lediglich behauptet werden. Die Gegenpartei muss diese Tatsache sodann bestreiten, andernfalls die Tatsache als anerkannt gilt. Wird eine Tatsache von der Gegenpartei bestritten, muss die andere Partei diese substantiiert behaupten. Dies bedeutet, dass die Tatsache detailliert aufgegliedert werden muss, sodass über die einzelnen Punkte Beweis abgenommen werden kann. Ein Privatgutachten stellt regelmässig eine substantiierte Behauptung dar. Will sich die Gegenpartei verteidigen, muss nun sie die Tatsache substantiiert bestreiten – also darlegen, weshalb das Privatgutachten unzutreffend ist.
Das Privatgutachten nach der Mängelsanierung
Sind Baumängel strittig, so ist Vorsicht geboten bei der Durchführung einer Mängelsanierung. Wurde vor einem Gerichtsverfahren lediglich ein Privatgutachten erhoben, so kann dessen Aussagekraft nach erfolgter Mängelsanierung in einem Gerichtsverfahren schnell gefährdet sein. Mit diesem Problem sah sich die Beschwerdeführerin im erwähnten Entscheid konfrontiert. Nachdem das Privatgutachten erstellt und zusätzlich eine umfassende Fotodokumentation angefertigt wurde, erfolgte die Baumängelsanierung. Anschliessend kam es zu einem Gerichtsverfahren.
Wie eingangs erwähnt, hatte die Beschwerdeführerin nicht sämtliche 132 Balkone und 63 Nasszellen gutachtlich untersuchen lassen. Auf der Grundlage exemplarischer Befunde wurde auf systematisch fehlerhafte Arbeiten geschlossen. Die Beschwerdegegnerin stützte sich darauf, dass nicht sämtliche Balkone und Nasszellen geprüft wurden und bestritt, dass die Arbeiten systematisch fehlerhaft ausgeführt wurden. Für das Bundesgericht bestand für die nicht überprüften Balkone und Nasszellen keine ausreichende Substantiierung. Das Gutachten hätte die Mängel sämtlicher Nasszellen konkret umfassen müssen, um allfällige Alternativursachen ausschliessen zu können.
Die Beschwerdeführerin verlangte ein gerichtliches Gutachten. Im Gegensatz zum Privatgutachten handelt es sich bei einem gerichtlichen Gutachten um ein Beweismittel. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der vom Gericht zu bestellende Gutachter die Baumängel anhand des Privatgutachtens und der umfassenden Fotodokumentation ohne Weiteres bestätigen könne. In diesem Vorgehen erkannte das Gericht allerdings das Problem. Das Gericht erkannte, dass ein neuer Experte alternative Ursachen nicht untersuchen und daher nicht ausschliessen könne. Ein Gerichtsgutachten solle es aber gerade erlauben, die Ergebnisse eines Privatgutachtens durch einen unabhängigen Experten überprüfen zu können, um das Privatgutachten entweder zu bestätigen oder zu widerlegen. Es könne nicht angehen, einem Privatgutachten faktische Beweiskraft zukommen zu lassen, indem eine unabhängige Überprüfung durch die Vornahme einer Mängelsanierung verunmöglicht wird und das Privatgutachten damit zur wesentlichen Grundlage eines Gerichtsgutachtens gemacht werde, ohne dass diese Grundlagen vom Experten überprüft werden können. Die Beschwerdeführerin unterlag in der Folge in zahlreichen Streitpunkten.
Aus diesem Grund sollte vor einer Mängelsanierung abgewogen werden, ob in einem allfälligen späteren Gerichtsprozess Beweisschwierigkeiten entstehen könnten. Allenfalls ist vorgängig ein Schiedsgutachten einzuholen oder die vorsorgliche Beweisabnahme zu beantragen. Mindestens sollte anwaltlich geprüft werden, ob das Privatgutachten die Baumängel ausreichend substantiiert belegt.
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